Freitag, 31. Dezember 2010

Zum Jahreswechsel: Der Residenten-Spagat

von Roman Stadtmüller


Was ein Spagat ist, weiß man ja, laut Duden: "gespreizte Beine, die eine gerade Linie bilden" oder volkstümlicher ausgedrückt "mit einem Bein hier, mit dem anderen dort." Viele Residenten lieben diese Stellung, auch wenn sie unbequem ist. Gerade an Weihnachten zieht es sie mit einem Bein in die verschneite und vereiste Heimat, um winterlich-weihnachtlichen Gefühlen nach zu geben. Das andere Bein steht fest verankert im Gastland, egal, ob es sich um Portugal, Griechenland, Spanien oder Italien handelt. Residenten sind nun mal "Wanderer zwischen den Welten". Der Residenten-Spagat an Weihnachten ist eine recht harmloses Abwechslung, wenn man nicht gerade ins winterliche Verkehrschaos gerät. Im kommenden Jahr 2011 kann es noch zu unangenehmeren Situationen kommen.

Wir Deutschen befinden uns da in einer besonderen Lage. Einerseits freuen wir uns natürlich, dass es in der Heimat wieder besser geht, die Wirtschafts- und Finanzkrise ausgestanden zu sein scheint, andererseits sorgen wir uns um unser Gastland Spanien. Wie wird es wohl hier weitergehen im Neuen Jahr? Die Analysten und Finanzfachleute sind sich ganz und gar nicht einig, was die nächste Zukunft Spaniens angeht. Die einen sehen das Land schon unter den europäischen Schutzschirm schlüpfen, die anderen meinen, die schon beschlossenen und noch zu beschließenden Sparmaßnahmen der sozialistischen Regierung würden das verschuldete Land schon wieder in die richtige Bahn bringen. Wer Recht bekommt, ist vollkommen offen. Die Residenten kann das alles nicht kalt lassen, denn auch sie leiden -wie die Spanier selbst- unter der durch die Sparmaßnahmen auftretenden Teuerungsrate. Sie machte sich schon im eben zu Ende gehenden Jahr 2010 bemerkbar und noch intensiver wird sich der Teuerungs-Trend in 2011 fortsetzen, wenn die Mehrwertsteuer noch einmal erhöht wird. Für die Residenten, die mit knapper Rente in Spanien bisher gut ausgekommen sind, wird das Leben in Spanien teurer. Noch problematischer dürfte die Situation für deutsche (und andere) Unternehmer werden, die in Spanien und mit Spaniern ihr Geld verdienen. Die Neigung, jetzt in der Krise zu investieren, beispielsweise in eine Solar- oder Photovoltaikanlage, lässt deutlich nach. Auch der Immobilienmarkt legt immer noch danieder und wie es scheint, stehen immer mehr Häuser zum Verkauf, weil Arbeitslose ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen können.

Spanienkenner sind skeptisch. Sie weisen immer wieder darauf hin, dass in Spanien ein kräftiger Wirtschaftsaufschwung, so wie in Deutschland, mit höheren Steuereinnahmen nicht in Sicht ist und deshalb die hohe Arbeitslosigkeit auch in 2011 auf hohem Niveau verharren wird. Gleichzeitig führen sie an, dass eisernes Sparen zur Haushaltskonsolidierung zwar weiterhin unbedingt nötig ist, aber gleichzeitig dadurch die Binnennachfrage immer mehr nachlassen wird. Zu diesen, wenig verlockenden Aussichten kommt noch die Skepsis gegenüber den spanischen Banken. Dem im Sommer durchgeführten Stresstest wollen viele nicht so recht trauen. Manche meinen schon, dass es Spanien ähnlich ergehen könnte wie Irland, wo es die Banken waren, die vom Staat gerettet werden mussten. Dann kann es zu einem Kollaps des Euro kommen, bei dem alle Euro-Länder verlieren würden. Aber so weit kommt es hoffentlich nicht. Noch zieht es viele Deutsche nach Spanien, nicht nur zur Ferienzeit, sondern auch, um hier zu leben. Sie jedenfalls verbreiten mit viel Optimismus die Kunde: Spanien wird es schaffen! Wenn nicht im kommenden Jahr, so doch im darauffolgenden. Die Residenten drücken die Daumen und wünschen den Spaniern ein gehöriges Maß an Durchhaltevermögen.

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