Eigenbericht
Noch sind Sommerferien in Spanien und die Politik tritt für ein paar Wochen in den Hintergrund des öffentlichen Interesses. Doch wie geht es weiter mit der Krise? Werden die bislang von der Regierung eingeleiteten Reformmaßnahmen greifen und einen positiven Einfluss auf den Arbeitsmarkt ausüben? Wird trotz des respektablen Ergebnisses des Banken-Stresstests doch noch eine Bankenkrise entstehen? Wird das Land seine Schuldenlast durch die Sparmaßnehmen bewältigen können? Alles Fragen, die nicht nur in Spanien von Spaniern gestellt werden, sondern auch von den dort lebenden Residenten. Diese sind zwar kaum von der Krise betroffen, wenn sie nicht gerade in Spanien arbeiten oder als Selbstständige tätig sind, sondern sich als Rentner und Pensionäre niedergelassen haben, aber sie betrachten mißtrauisch die Lage in ihrer Wahlheimat. Nicht wenige haben Geld bei spanischen Banken angelegt und hoffen nun darauf, dass "ihre" Bank oder Sparkasse selbst über die Runden kommt und ihre Geldanlage sicher bleibt. Andere wiederum überlegen, ob die sinkenden Immobilienpreise nicht dazu angetan wären, in ein Ferien- bzw. Einfamilienhaus, eine Eigentumswohnung (piso) oder auch in ein Mehrfamilienhaus zu investieren. Eine Immobilie als Geldanlage? Sicher kein schlechter Gedanke, weil einigermaßen krisenfest. Beim Kauf oder Bau eines Einfamilienhauses, das man selbst beziehen will, dürfte es kaum Probleme geben, wenn auf Baugenehmigung und Grundbucheintragung geachtet wird. Anders sieht die Sache aus beim Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Mehrfamilienhauses, das vermietet werden soll. Immer wieder warnen deutsche Schutzgemeinschaften für Auslandsgrundbesitz davor, in Vermietungsobjekte zu investieren. Und das mit Recht. Da muss man zuerst die andere spanische Denkweise anführen, die gegen eine Vermietung spricht. Spanier wollen in ihrer Mehrzahl nicht mieten, sondern selbst so früh wie möglich Wohneigentum erwerben, obwohl sie wegen fehlenden Eigenkapitals dazu gar nicht in der Lage sind. Das ist ja einer der Gründe für das Platzen der Immobilienblase.
In Deutschland läuft so etwas anders. Junge Leute wohnen nach dem Auszug von ihren Eltern zuerst jahrelang in Miete, sparen- meist über Bausparkassen- Eigenkapital an, um erst dann selbst zu bauen oder ein Haus bzw. eine Eigentumswohnung zu kaufen. In Spanien neigt man viel eher dazu, sich gleich zu verschulden. Das ist der Unterschied. Dementsprechend wenig Interesse besteht an Mietwohnungen. Allerdings könnte sich das zwangsweise nach und nach ändern, nämlich dann, wenn junge Paare. aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr zu den Eltern zurückkehren können und das "Hotel Mama" ausfällt. Für den Vermieter bleibt dann aber die Gefahr, dass der Mieter arbeitslos wird und seine Miete nicht mehr zahlen kann. Die crux: In Spanien gibt es kein gerichtliches Mahnverfahren wie in Deutschland, es gibt auch keine Gerichtsvollzieher, die irgenwo einen Kuckuck draufkleben würden. Die gesamte Schuldeneintreibung erfolgt dann ausschließlich über die örtlichen Gerichte, und das kann dauern, oft jahrelang. Ein schlechtes Geschäft für Vermieter also. Solange solche Hindernisse bestehen, kann Spanien die Immobilienkrise kaum in den Griff bekommen. Und wer arbeitslos ist, kann sich kein Eigentum leisten. Damit wird deutlich, dass der Immobilienmarkt in Spanien seine selbst verursachte Krise weder aus eigener Kraft noch mit dem Zutun ausländischer Investoren bewältigen kann. Damit fällt die Immobilie als Zugpferd für die Krisenbewältigung vorerst aus. Was kann sie ersetzen? Gibt es in Spanien eine Branche, die die Arbeitslosen, vor allem die jungen Leute, aufnehmen könnte? Leider nein, lautet die Antwort. Es gibt weit und breit nichts Ebenbürtiges, das einspringen könnte. Die Touristikbranche ist es nicht. Das Saisongeschäft ist nur begrenzt fähig, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, selbst wenn noch viel mehr Besucher als heute in das Land strömen sollten.
In Deutschland ist auch hier die Situation in vielerlei Hinsicht anders. Man sieht es ja eben deutlich, es ist der Export, der den Karren aus dem Dreck zieht. Branchen wie Elektrotechnik, Maschinen- und Anlagenbau exportieren wieder in alle Welt. Das bringt Arbeitsplätze und diese wiederum sorgen dafür, dass der heimische Konsum anspringt und sich die Staatskasse wieder füllt. Ganz anders die Situation in Spanien: keine nennenswerten Exportgüter, gesamte Wirtschat mehr auf den Binnenmarkt ausgerichtet. Irgenwie ist das auch verständlich. Nach der Aufnahme Spanien in die EU wurde völlig zu Recht viel Geld in das Land gepumpt, das auch viel nachzuholen hatte, etwa im Straßenbau, im gesamten Verkehrswesen usw. Das brachte die letzten Jahre auch den Arbeitsmarkt in Schwung und Geld in die Staatskasse. Doch mit dem Geldsegen aus Brüssel ist es vorbei. Spanien ist auf sich selbst gestellt. Wenn es schon keine große Branche in Spanien gibt, die viele neue Arbeitsplätze schaffen könnte, so müssen es kleinere Einheiten sein. "Kleinvieh macht auch Mist", sagt man bei uns und meint damit, dass viele kleinere Betriebe mit wenigen Mitarbeitern manchmal sogar besser sind als einige wenige Großbetriebe. Es stellt sich nur die Frage: Woher sollen diese Kleinbetriebe kommen? Hier ist wieder die Regierung gefragt. Nach dem großen Sparen muss wieder das große Investieren kommen, das ist sicher, daran kommt keine Regierung vorbei.
Kürzlich erzählte mir ein ehemaliger Schulkollege, dessen Sohn sich als Softwareentwickler auch mit dem Klimawandel beschäftigt, dass in die Zukunft gerichetete Klimaprognosen ergeben hätten, dass in Spanien, besonders in Andalusien, sich in den nächsten Jahren viel verändern würde. Andalusien könnte nach dieser Prognose zu der "Gartenlandschaft" Spaniens werden, da es in den nächsten Jahren im Winter mehr und vor allem auch öfter regnen würde und die Winter etwas strenger aufielen. Das forciere den Ausbau der Landwirtschaft bei gleichzeitigem Verschwinden der sich bisher ständig ausbreitenden Wüstengebiete in Andalusien.
Wenn diese Prognose zutrifft, könnten sich daraus neue Investitionsmöglichkeiten und neue Arbeitsplätze entwickeln. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Erst einmal ist die Regierung mit Lösungsvorschlägen zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit dran.
Roman Stadtmüller
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen